Über die Monster

Eva Deppisch schrieb folgenden Text als Einführung zu meinem aktuellen monsterbook: Sie sind freundlich – und sie sind gekommen, um zu bleiben:

die vielgestaltigen Monster-Werke von Patrick Preller

Patrick Preller (Jahrgang 1973) ist Vater einer stattlichen Monster-Familie, von der Sie hier auf den folgenden Seiten einen lebhaften Eindruck erhalten werden. Ihr Markenzeichen: ihre Mitglieder können einfach an jedem Ort auftauchen und diesen blitzartig und dabei nachhaltig verwandeln. Ob Küche, Wohnzimmer, stille Örtchen, belebte Cafés oder Firmen-Räume, ob draußen im Straßenverkehr, an Marktständen, vor Läden oder in Grün-Anlagen und Gärten: die großen und kleinen Monster des Fürther Künstlers „sprießen“ an Orten und aus Gegenständen, die wir gut zu kennen glauben – glaubten! Denn so ganz nebenbei verändern die stets freundlichen Gesellen mit ihren runden Augen und den winkenden Händen (sofern es die Monster-Variante mit Händen ist) unsere Wahrnehmung. Hat es wieder ein Monster mehr geschafft, unserem oft gar so ernst wirkenden Welt- und Alltags-Geschehen ein Schnippchen zu schlagen und sich etwa ins Straßenbild zu „schmuggeln“, empfi nden wir einhellig Freude – ja, atmen wir regelrecht auf, angesichts der bunten anarchischen Gesellschaft, die sich einfach nicht daran hält, was „man“ tut. Mehr noch: In ihren zumeist metallenen und doch so organisch rund und weich wirkenden Körpersilhouetten scheint ein Stück Freiheit zu wohnen, das höchst inspirierend ist – hier wittern unsere Sehnsüchte Verbündete, die unsere Träume greifbar machen – und das ist höchst ansteckend! So gibt es in immer mehr Regionen unserer Erde Menschen, die ohne ein Preller-Monster gar nicht mehr aufstehen und einschlafen möchten, denn sie sind überzeugt: Wer mit den stets positiv gestimmten Monstern lebt, lebt seine Träume und lacht öfter…

Fokussieren wir noch einmal den Ort, an dem alles mit ein paar Metallabfällen und einem Plasma-Schneider aus reinem Spieltrieb begann, und von dem aus sich die Monster nun bereits seit 15 Jahren in alle Welt verbreiten: nach Fürth in Bayern, dort wo der einstige Akademieabsolvent für Metallbildhauerei und freie Malerei Patrick Preller seine Monsterwerkstatt unterhält. Ein Besuch dort macht schnell klar: der Objekt- und Aktions-Künstler, der als Handwerker-Sohn zunächst noch mit einer klassischen Kunstschmied-Ausbildung am offenen Schmiedefeuer Orientierung gesucht hatte, lebt heute seinen persönlichen Traum sehr leidenschaftlich und professionell. Mittlerweile haben sich seine Geschöpfe derart vermehrt, dass sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes über den Kopf wachsen – in einer Raumecke ist gerade noch Platz für eine Sitzgruppe, über der ein spukiger Monster-Kronleuchter baumelt. Drumherum biegen sich die Balken vieler Regale, doch das Leben in den Fächern ist kaum noch zu bändigen: da springen zwei Monster händewedelnd aus dem Toaster, floaten weitere durch Goldfi schkugeln und Lavalampen, sind als Flaschengeister aktiv und linsen aus Cocktailgläsern. Genauso begeistert bringen sie einen Fernseher mit Monster-TV auf Trab, erschrecken Schnecken als süßester „Schneckenschreck“, den es je gegeben haben dürfte, bringen Verkehrsschilder aus der Fassung und flitzen auf einem Skateboard dahin. Gerne übernehmen Sie auch Funktionen wie das Leuchten als Monsterlampe, lassen sich als Schachfi guren herum schubsen, mischen Mini-Golfbahnen auf und bieten dem Rastlosen als Monsterbank, Gelegenheit zum Innehalten.

So selbstverständlich „durchmonstern“ Prellers Objekte jeden Lebensbereich, dass uns bei ihrem Anblick wohl kaum in den Sinn kommt, dass sie das Ergebnis einer aufwendigen Verschmelzung von künstlerischer Idee mit schweißtreibendem Handwerk sind. Bis zu 30 000° Celsius beträgt die Temperatur, wenn der Künstler ein Monster mit dem Plasma-Schneider „entbindet“, indem er seiner zuvor auf das Metall aufgetragenen Zeichnung akribisch wie ein Chirurg folgt. Freilich ist der Monster-Nachwuchs dann noch völlig ungeschliffen in Ausdruck und Manieren, und so steht in weiteren Arbeitsgängen das Verschleifen der Kanten und die Oberfl ächenbearbeitung an, deren Art allein davon abhängt, was Preller künstlerisch vor hat. So wird nicht jedes Monster poppig bunt lackiert werden, es gibt auch solche die einen ungeschützten Rost-“Appeal“ haben. Ist dieser Effekt nicht gewünscht, gibt es einen Anstrich mit Rostschutz, Wachs, Öl oder einen Zinküberzug. Der „Schneckenschreck“ etwa ist aus rostfreiem Edelstahl, damit er seine Aufgabe im Freien glänzend meistern kann.

Neben den im Raum platzierten Objekten, gibt es die gerahmten Wandbilder, die ebenfalls eine genauere Betrachtung verdienen: Preller zeigt mit ihnen, dass er auch klassisch grafi sch anmutende Bildsituationen souverän bewältigen kann und entwickelt für diese Kategorie eine Reihe neuer Ausdrucksweisen, die wie die raumgreifenderen Objekte auch, auf dem schmalen Grat zwischen dreidimensionaler Plastik bzw. Relief und flächiger Zeichnung angesiedelt sind.

Diese in solide Metallrahmen gefassten Werke rhythmisieren den Zeichenschatz der Preller‘schen Kunstsprache: Hände, Augen (stets weiße kreisrunde Augapfel-Scheiben mit schwarzen Punkten darin) und die ausgesparten Münder sind das variierbare Basisvokabular für Bildfi ndungen, die dank ihrer ausgeklügelten Komposition und ihrer positiven Energie, die der Künstler in sie hinein gesteckt hat, fröhlich mit dem Betrachter kommunizieren. Dieser freundliche „Energiehaushalt“ gründet dabei nicht auf Zufälligkeit, sondern zeigt Prellers Talent beim Erzeugen formaler Balance mit den uns ansprechenden Motiven. Ein Beispiel ist das geschickt austarierte Bananen-Bild: Monster experimentieren, was alles so geht mit der „Schaukelfrucht“ – und so landet sie mal als Board, mal als Balancier-Hilfe unter dem Monsterkörper der als Haltegriff im Monsterhändchen. Die stilisierten Bananen hat Preller dabei maßvoll über die „Bildfläche“ verteilt – und wenn die eingeschriebenen Motive dann noch zarte Schatten erzeugen, ist das ein hübscher Zusatzeffekt…

Eine weitere Arbeit, die ein konkretes Motiv stilisiert und variiert ist die Komposition mit Kastanienblättern und Augen. Hier hat Preller Witz mit melancholischer Poesie verwoben und den warmtonig-morbiden Charme von rostigem Metall für eine herbstliche Stimmung genutzt. Kein Zweifel: Wer dieses Objekt sein eigen nennt, der riecht den Herbst und hört das Laub rascheln… doch niemals ohne die Monster im „Gepäck“: die weißen Augenscheiben mit schwarzem Punkt darin pointieren die Anordnung sparsam und überzeugend.

Es ist verblüffend wie phantasievoll Preller das Monstermotiv durchspielt. So kann aus dem „Ur“-Monster ebenso gut auch ein Schaf oder ein Fisch werden, ein TV-Gerät oder ein Eis am Stiel. Jede dieser Variationen lässt aber nie einen Zweifel am Stammbaum, lediglich scheint sich das Metall spielerisch fließend in eine weitere Monster-Spielart begeben zu haben, was zeigt, wie gut der Künstler die Ambivalenz von Materialhärte und frecher Beweglichkeit im Ausdruck beherrscht.

Konsequent reduziert und dabei anrührend sind auch Prellers Blumen-Schöpfungen, allen voran die „Powerfl ower“-Serie. Ein solch fröhlich lackiertes Metallpflänzchen gibt es klassisch in Ton-Töpfchen zu erwerben, aber auch aus Schubkarren oder Waschbecken (Installationsarbeit anlässlich „raus 2005“, Absolventen-Ausstellung der Akademie der Bild. Künste, Nürnberg) wachsend. Das besondere an dieser Blume: sie braucht kein Wasser und vergeht trotzdem nicht – so überdauert sie den Zeitenlauf und ist damit ein Symbol für Beständigkeit, Zuverlässigkeit und für wahre Liebe, die auch mal eine Dürreperiode übersteht. So ist die „Powerfl ower“ mit dem typischen Monster-Auge als Blütenkopf und mit ihrem frisch-grün lackiertem Blatt-Stengel mittlerweile einer der Renner in Prellers „Sortiment“, das er längstauch im Internet anbietet. Das Schönste an allem aber ist: Alles, was man bei Patrick Preller im Werkstatt-Atelier, auf seinen Ausstellungen, in den Katalogen und im Internet entdecken kann, wurde aus echter Leidenschaft geboren – aus dem tief empfundenen Wunsch, etwas Freundliches in die Welt zu setzen, das unseren Alltag zum Blühen bringt und uns ein Lächeln ins Gesicht zaubert, jeden Tag.

Eva Deppisch M.A.

Journalistin, Nürnberg im März 2008